Zwischen Zirkzee und Musiala: Der Bayern-Hype um Karl im Realitätscheck

Tim Schoster

Ein Teenager sorgt beim FC Bayern für Furore. Nach seinen beiden Traumtoren gegen Brügge und Gladbach ist Lennart Karl das Gesprächsthema in München – und ruft Erinnerungen an frühere Hypes wach.

Der 17-Jährige traf erst beim 4:0-Erfolg in der Champions League gegen Club Brügge und nur wenige Tage später beim 3:0 in Gladbach sehenswert zum Endstand. Zwei fast identische Traumtore – technisch stark, selbstbewusst abgeschlossen, Ausdruck seines besonderen Spielgefühls.

Bei Sky lobte Trainer Vincent Kompany den Youngster nach dem Gladbach-Spiel, mahnte jedoch zugleich zur Ruhe: „Momentum gibt es nicht nur für den Kader, sondern auch für Einzelspieler. Dass er jetzt die zwei Tore schießt, ist für sein Vertrauen sehr gut. Auf Vertrauen kann man aber keine Karriere bauen.“ Der Belgier will den Teenager gezielt schützen, ein Balanceakt zwischen Begeisterung und Bodenhaftung.

Auch innerhalb der Mannschaft wird der Offensivspieler hoch geschätzt. Joshua Kimmich schwärmte nach dem Spiel gegen die Fohlen: „Er kommt auf den Platz und hat einfach diesen Mut und traut sich vieles zu. (…) Ich hoffe, dass er diese Phase am Anfang der Karriere genießt. Da gibt es noch keinen Druck und keine Erwartungshaltung.“ Ein Satz, der zeigt: Die erfahrenen Führungsspieler wissen, wie gefährlich ein zu früher Hype werden kann.

Lehren aus früheren Hypes

Joshua Zirkzee
Foto: IMAGO/kolbert-press | Foto: IMAGO/kolbert-press,

Denn Geschichten wie die von Lennart Karl hat es in München schon oft gegeben. Joshua Zirkzee war einst der Shootingstar unter Hansi Flick, traf in Serie und galt als kommender Topstürmer – bis er nach Umwegen über Parma und Anderlecht erst beim FC Bologna den Durchbruch schaffte. Jamal Musiala hingegen nutzte seine Chance und wurde zum Weltklassespieler. Auch Fiete Arp, Malik Tillman oder Paul Wanner galten als große Hoffnungsträger, doch sie konnten die Erwartungen nicht dauerhaft erfüllen.

Karl bewegt sich nun auf dieser schmalen Linie zwischen Versprechen und Verwirklichung. Lothar Matthäus rät im Gespräch mit RTL/ntv zu Geduld: „Erst mal soll Lennart Karl kontinuierlich aufgebaut werden und beim FC Bayern regelmäßig Einsätze bekommen. (…) Es ist verfrüht, jetzt schon von der Nationalmannschaft zu reden.“ Damit spricht der Rekordnationalspieler aus, was viele im Klub denken – Talent allein reicht nicht, Konstanz entscheidet.

Trainer Vincent Kompany verfolgt deshalb einen klaren Plan. „Wenn der Hype kommt, dann ist der Schlüssel, einfach weiterzumachen. Und wenn dann mal Kritik kommt, machst du das Gleiche“, erklärte er nach dem Brügge-Erfolg. Dieses Prinzip soll verhindern, dass der 17-Jährige zu früh in den Medienstrudel gerät. Ein Schicksal, das andere Talente in der Vergangenheit aus der Bahn warf.

Auch Kapitän Manuel Neuer mahnte nach der Partie in Brügge: „Es ist noch ein Weg für ihn zu gehen, aber ich glaube, grundsätzlich steht ihm die Zukunft offen. (…) Ich glaube, da sollte er jetzt nicht drüber nachdenken, sondern eher über seinen Fußball.“

Fest steht: Lennart Karl bringt alles mit, um sich langfristig in München zu etablieren: Technik, Mut und Spielwitz. Doch ob er eher den Weg eines Musiala oder eines Zirkzee nimmt, wird sich erst zeigen. Der FC Bayern hat seine Lektionen gelernt – und weiß: Zwischen Hype und Realität liegen oft nur ein paar Spiele.

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