Thomas Müller hat in seiner Karriere beim FC Bayern unzählige Trainer erlebt, unterschiedlichste Spielphilosophien kennengelernt und nahezu jede Spielidee auf höchstem Niveau umgesetzt. Umso aufschlussreicher sind seine Worte über Vincent Kompany. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschreibt Müller den Spielstil des Belgiers nicht als Revolution, wohl aber als eine bemerkenswert konsequente Weiterentwicklung dessen, was auf diesem Niveau eigentlich selbstverständlich sein sollte.
„Das ist nichts Neues, aber die Konsequenz, mit der der FC Bayern dieses Spiel spielt, ist sicherlich interessant“, ordnet Müller den Ansatz seines Trainers ein. Gemeint ist vor allem die kompromisslose Umsetzung von Intensität, Manndeckung und hoher Verteidigungslinie. Für Müller liegt der Kern dabei weniger in taktischen Feinheiten, sondern in grundlegenden Prinzipien des Profifußballs. „Bei den grundlegenden Kriterien, die im Fußball unerlässlich sind, gibt es wenig Spielraum für Kompromisse“, stellt er klar.
Diese Aussage ist bemerkenswert, weil sie den Fokus weg von Systemfragen hin zur Haltung lenkt. Kompany verlangt keine exotischen Ideen, sondern maximale Bereitschaft. Laufarbeit, Zweikampfhärte, Konzentration – Dinge, die auf diesem Niveau eigentlich selbstverständlich sein sollten, werden unter ihm kompromisslos eingefordert. Genau darin sieht Müller den entscheidenden Unterschied.
Warum Nachlässigkeit keine Chance mehr bei Bayern hat

Auf die Nachfrage, ob es dabei vor allem um Laufen und Kämpfen gehe, wird Müller grundsätzlich. Er verweist auf ein menschliches Grundprinzip: „Wir Menschen sind evolutionär darauf programmiert, Energie zu sparen.“ Im Fußball bedeute das zwangsläufig, dass Spieler in Momenten ohne klaren Druck nachlassen – bewusst oder unbewusst. Kompany aber lasse genau das nicht zu.
„Vinny lässt wenig Raum für körperliche Schwächen oder Nachlässigkeiten“, beschreibt Müller. Jeder müsse sich zu hundert Prozent einbringen, jede Sekunde. Und vor allem: dauerhaft. Wer diese Bereitschaft nicht zeigt, verliert seinen Platz. Nicht aus Strafe, sondern aus Konsequenz. „Er sorgt dafür, dass sich jeder einbringt, denn sonst wird er nicht einbezogen“, bringt Müller es nüchtern auf den Punkt.
Diese Klarheit habe Kompany von Beginn an vermittelt. Seine Prinzipien seien nicht verhandelbar, sondern fest verankert. Entscheidend sei dabei, dass der Trainer sie nicht nur predige, sondern greifbar mache – im Training, in der Spielvorbereitung und vor allem auf dem Platz.
Frankfurt als Schlüsselmoment
Ein Spiel ist Müller dabei besonders in Erinnerung geblieben: das 3:3 in Frankfurt in der Vorsaison. Rein vom Ergebnis her kein Glanzpunkt, emotional aber ein Wendepunkt. „In den ersten 20 Minuten hatten alle auf dem Platz das Gefühl: Wow, hier passiert etwas Besonderes“, erinnert sich Müller. Die Bayern hätten mit einer Intensität gespielt, die dem Gegner kaum Luft zum Atmen ließ.
Auch wenn Gegentore fielen, sei etwas Entscheidendes spürbar gewesen: wie effektiv dieser intensive Spielstil sein kann, wenn wirklich alle mitziehen. Hohe Abwehrlinie, aggressives Anlaufen, permanenter Druck – das Risiko sei da, aber ebenso das enorme Potenzial. Für Müller war Frankfurt ein Beweis dafür, dass Kompanys Ansatz funktioniert, wenn er konsequent umgesetzt wird.
Müllers Aussagen zeichnen das Bild eines Trainers, der weniger über taktische Detailverliebtheit kommt, sondern über Haltung und Verlässlichkeit. Kompany fordert nicht mehr als das Maximum – duldet aber auch nichts darunter.
