Bayerns Zukunftshoffnung zwischen den Pfosten: Daniel Peretz in der Detailanalyse

Lukas Wolfsteiner
Foto: IMAGO

Lange suchten die Verantwortlichen des FC Bayern nach einer Lösung für die Torhüter-Position. Doch statt einen gestandenen Torwart mit viel Profi-Erfahrung zu holen, entschied man sich mit der Verpflichtung von Daniel Peretz von Maccabi Tel Aviv schlussendlich für ein junges Talent. Auf Basis einer Detailanalyse von CREATEFOOTBALL wirft FCBinside einen genauen Blick auf die bayerische Torwarthoffnung und ordnet seine Zukunftschancen bei den Bayern ein.



David de Gea, Kepa Arrizabalaga, Stefan Ortega, Bono, Geronimo Rulli – diese Namen wurden seit dem schwerwiegenden Skitour-Unfall von Manuel Neuer an der Säbener Straße diskutiert. Die Bayern-Verantwortlichen versuchten einen Keeper zu verpflichten, der im Optimalfall internationale Profi-Erfahrung mitbringt und den Bayern sofort helfen kann.

Doch dann kam die Wende in der Torwart-Strategie und der Transfer-Ausschuss beschloss, einen anderen Weg zu gehen. Der Grund dafür lag in Manuel Neuers Fortschritt während seiner Reha. Nachdem zuvor berichtet wurde, dass der fünffache Welttorhüter noch Probleme mit seinem verletzten Wadenbein habe, löste der plötzliche Genesungsfortschritt durchaus Verwunderung in der Medienlandschaft aus. Mittlerweile rechnet man in München damit, dass der langjährige Stammtorhüter nach der Länderspielpause im September wieder voll in das Mannschaftstraining einsteigen und bald wieder zwischen den Pfosten stehen wird.

Das Anforderungsprofil wandelte sich also und man konzentrierte sich bei der Suche auf einen etablierten aber gleichzeitig entwicklungsfähigen Torwart, der das Zeug hat, Manuel Neuer perspektivisch zu beerben. Diesen fand man schließlich in Daniel Peretz, der sich nach erfolgreichen Verhandlungen den Bayern anschloss. Doch was genau zeichnet den erst 23-Jährigen aus und an welchen Stellen muss der Torwart-Diamant noch geschliffen werden?

U21-EM als Sprungbrett für Peretz’ Karriere

Daniel Peretz stand zuletzt vor allem bei der U21-Europameisterschaft im Fokus und nutzte die internationale Bühne zu seinen Gunsten, indem er unter anderem zwei Elfmeter im Spiel gegen die deutsche U21-Auswahl halten konnte. Die Paraden kamen dabei nicht von ungefähr, denn Peretz gilt als Spezialist für Elfmeter-Situationen. Vor den Spielen setzt er sich detailliert mit den gegnerischen Schützen auseinander und versucht so, einen Vorteil zu erlangen. Nicht verwunderlich also, dass er fünf der letzten acht Elfmeter gegen sich parieren konnte. Blickt man auf die abgelaufene Saison der 1. israelischen Liga, war Peretz ein absolut zuverlässiger Rückhalt für seine Vorderleute und verzeichnete 16 Zu-Null-Spiele bei insgesamt 26 Ligaeinsätzen. 

Groß gewachsen, sprunggewaltig und fast unbezwingbar im 1-gegen-1

Mit einer Körpergröße von 1,90m ist Peretz fast auf einem Level mit Manuel Neuer (1,93m) und kann Dank seiner enormen Sprungkraft schnell alle Torecken erreichen. Die eindrucksvolle Statur in Verbindung mit seinen starken Reflexen, macht ihn aus kurzer Distanz extrem schwer überwindbar. Laut CREATEFOOTBALL wird Peretz in der heimischen Liga aufgrund der Überlegenheit von Maccabi Tel Aviv sehr selten geprüft. Zum Vergleich: nur Manchester Citys Ederson bekommt auf europäischer Bühne noch weniger Schüsse auf sein Tor (2,4 gegnerische Schüsse / 90 Minuten). Peretz’ dennoch überragende Quote von 76% gehaltenen Bällen, sichert ihm im internationalen Stammkeeper-Vergleich der europäischen Top-5-Ligen einen beeindruckenden 8. Platz.

Manuel Neuer als Vorbild

Eine weitere Stärke des israelischen Nationaltorhüters: 1-gegen-1-Situationen. Peretz orientiert sich hierbei an Neuers teils riskanter Spielweise und geht dem gegnerischen Angreifer meist schon frühzeitig entgegen, um ihm möglichst wenig Zeit zum Torabschluss zu geben. Mit 0,15 verhinderten Expected Goals pro 90 Minuten liefert er einen europaweit sehr starken Wert, der ihn in die Top 10 der Torhüter katapultiert und im heimischen Liga-Vergleich vor großen Namen wie Alisson oder Marc-Andre ter Stegen einordnet. Seine außergewöhnliche Antrittsstärke und Beweglichkeit, verschaffen ihm dabei entscheidende Vorteile, weshalb er den internationalen Vergleich keinesfalls scheuen muss.

Weiterentwicklung ist Pflicht

Trotz aller Stärken wird sich Peretz enorm verbessern müssen, um wirklich eine Chance auf die Nummer 1 im FCB-Tor zu haben. CREATEFOOTBALL identifizierte unter anderem die Beherrschung des eigenen Strafraums als eine gravierende Schwäche des Israelis. Vor allem bei gegnerischen Standards zeigt er sich eher zurückhaltend, verpasst häufig den richtigen Moment beim Herauslaufen oder Abfangen von Flanken und bleibt auf seiner Linie “kleben“.

Was außerdem auffällt: Peretz’ Passspiel ist noch weit von der Qualität eines Manuel Neuer entfernt, der mit seiner ausgezeichneten Ballbeherrschung nicht nur den ein oder anderen Gegenspieler aussteigen ließ, sondern mit präzisen Pässen auch schnelle Gegenangriffe einleiten konnte. 23 gespielte Pässe pro 90 Minuten deuten zwar darauf hin, dass Peretz bereits stark am Spielaufbau seiner Mannschaft beteiligt ist. Allerdings erreichen nur 80% seiner Kurzpässe den Mitspieler. Peretz greift außerdem lieber zum langen Ball und verzeichnet hier sogar nur eine Präzision von 53% – der viertschwächste Wert aller Torhüter in den Top-5-Ligen. Hier hat er also noch viel Luft nach oben.

Die Bayern und Daniel Peretz – ein Match für die Zukunft?

Mit Daniel Peretz hat sich der deutsche Rekordmeister einen Torhüter geangelt, der gute bis sehr gute Grundfertigkeiten mitbringt. Als 23-Jähriger ist er außerdem noch jung genug, um jeden Tag von Manuel Neuer und Sven Ulreich zu lernen. Auch wenn sich der Neuzugang zunächst als Torhüter Nummer drei hinter Ulreich einsortiert, haben die Münchner mit dem Transfer ein klares Statement für die Zukunft gesetzt.

Vor allem in puncto Kurzpassspiel wird er sich aber stark verbessern müssen, da er als Torwart das erste Glied im bayerischen Spielaufbau darstellt. Manuel Neuer hat diese Spielweise über die Jahre perfektioniert und wird der ideale Lehrmeister für Peretz sein. Schafft es der Israeli außerdem, bei der Strafraumbeherrschung noch sicherer und selbstbewusster aufzutreten, wird er seine große Chance mit hoher Wahrscheinlichkeit bekommen. Und dann liegt es an ihm, diese zu nutzen.

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