Das FC Bayern-Saisonzeugnis 2020/21: Die Abwehr
Obwohl der FC Bayern in der abgelaufenen Saison titeltechnisch nicht an das Triplejahr 2020 anknüpfen konnte, kann man trotzdem von einer ordentlichen Saison sprechen. In der Bundesliga hielt man, trotz ungewohnter Abwehrschwächen, die Konkurrenz auf Distanz. In der Champions League fehlten ein paar cleverere Entscheidungen oder eben Robert Lewandowski, um über das Viertelfinale hinauszukommen. Einzig das frühe Pokalaus gegen Holstein Kiel in Runde 2 trübt wirklich die Bilanz. Wir lassen die Saison noch mal Revue passieren und haben das FC Bayern-Saisonzeugnis 2020/21 erstellt.
Wir werden die einzelnen Mannschaftsteile Abwehr, Mittelfeld und Offensive näher betrachten und die (Stamm)-Spieler mit entsprechenden Schulnoten und einer „Mini-Analyse“ bewerten.
Manuel Neuer: Note 2,0
An ihm lag die „Torflut“ der vergangenen Spielzeit sicher nicht. Wie ein guter Wein scheint der Nationaltorhüter nicht älter, sondern einfach nur besser zu werden. Ohne seine teils spektakulären Paraden hätte der FCB in der Liga durchaus größere Probleme bekommen. Dennoch ist Neuer mit Sicherheit nicht ganz zufrieden. Nur neun Weiße Westen konnte der Kapitän in dieser BL-Saison sammeln. Der schwächste Wert in seiner langen Karriere.
Alphonso Davies: 4,0
Das es irgendwann zum Leistungsabfall kommen musste, war abzusehen. Die Saison 20/21 war für Alphonso Davies bei Weitem nicht so grandios wie das Triplejahr. Stellungsfehler, vernachlässigte Gegenspieler und Abspielschwächen führten zu vielen gegnerischen Chancen.
Doch die Erklärung dafür ist genau so einfach wie logisch: Davies ist immer noch erst 20 Jahre alt und hat dementsprechend noch extrem viel zu lernen. Zudem fiel er in der Hinrunde mehrere Wochen mit einem Bänderriss aus. Das Potenzial ist da und die Bayern-Fans werden trotzdem noch viel Freude am jungen Kanadier haben.
Lucas Hernández: 2,5
Wie ein Damokles-Schwert schweben die 80 Mio. € Ablöse über Lucas Hernandéz seit seinem Wechsel 2019 nach München. Seine Leistungen allein (oder überhaupt) an diesem Betrag festzumachen, wäre ungerecht. Nach einem schwierigen ersten Jahr, in dem er verletzungsbedingt fast die Hälfte der Spiele ausfiel, begann die letzte Saison vielversprechender. In der Hinrunde konnte der Franzose sich gegen Davies auf der linken, defensiven Außenbahn durchsetzen.
Gegen Ende der Rückrunde machte er die meisten Spiele auf seiner eigentlichen Lieblingsposition in der Innenverteidigung – und wurde dabei immer besser. Seine Zukunft liegt nach den Abgängen von Boateng und Alaba sowieso im Zentrum und wir werden den besten Hernandéz wohl erst noch sehen.
Fun-Fact: Mit Hernández auf dem Feld hat der FC Bayern erst eine BL-Partie verloren.
Benjamin Pavard: 4,5
Die Rolle von Benjamin Pavard beim FC Bayern ist nach wie vor eine seltsame. Der ursprüngliche Plan bestand nicht darin, ihn dauerhaft auf der Rechtsverteidigerposition einzusetzen. Doch Niko Kovac hatte 2019 andere Pläne und beorderte Joshua Kimmich ins Mittelfeldzentrum (im Nachhinein ein genialer Schachzug) und Pavard musste dafür seine Stelle einnehmen.
Obwohl er mit der französischen Nationalmannschaft als RV 2018 Weltmeister wurde, fremdelt er immer noch ein wenig mit der Aufgabenstellung. Keine einzige Torbeteiligung gelangen dem Ex-Stuttgarter in der Bundesliga. In der Champions League sammelte er immerhin zwei Assists und das Siegtor im FIFA-Klub-WM-Finale soll natürlich auch nicht unerwähnt bleiben.
Zum Vergleich: Kimmich brachte es als Rechtsverteidiger in der BL-Saison 18/19 auf 14 Assists und zwei Tore.
Der Transfer von Bouna Sarr sollte eigentlich am Anfang der Saison für Konkurrenzkampf sorgen, entpuppte sich jedoch als Flop. Pavard ist insgesamt ein toller Spieler und hat absolut seine Daseinsberechtigung beim Rekordmeister, jedoch sollte in Zukunft mehr von ihm kommen oder er muss sich in der Innenverteidigung gegen seine Landsmänner Hernández und Upamecano durchsetzen.
Jérôme Boateng: 2,5
Die Geschichte von Boateng ist schon kurios. Unter Ancelotti und Kovac war der Weltmeister von 2014 gefühlt schon dreimal bei einem anderen Verein, doch letzten Endes ließ ihn der FC Bayern immer wieder nicht gehen. Boateng fand sich mit der Situation ab und spielte sich unter Hansi Flick wieder ins Rampenlicht. Und jetzt lässt ihn der Verein gehen?! Muss man nicht verstehen…
Seine Leistungen in der letzten Saison waren jedenfalls konstant gut. In den 39 Pflichtspielen zahlte er das Vertrauen von Hansi Flick mit konzentrierten Leistungen zurück.
David Alaba: 3,0
Im letzten halben Jahr ist viel eingeprasselt auf David Alaba, der in der kommenden Saison für Real Madrid auflaufen wird. Ob das Transfer-Theater Auswirkung auf seine Leistungen hatte, kann man aus der Ferne schwer beurteilen. An die bärenstarke Triple-Saison konnte der Österreicher jedenfalls nicht gänzlich anknüpfen. Für Hansi Flick stand der gebürtige Wiener jedoch nie zur Disposition. Alaba absolvierte nach Neuer und Müller die meisten Spieler in der abgelaufenen Saison und stand dabei ist fast jedem über 90 Minuten auf dem Feld.
Niklas Süle: 4,0
Auch für Niklas Süle war die abgelaufene Saison eine sehr schwierige. Boateng und Alaba standen in der Gunst von Hansi Flick einen Tick über ihm und Süle spielte bis zu seinem Muskelfaserriss im April immer nur den „Feuerwehrmann“, wenn jemand ausfiel oder eine Pause brauchte. Dabei kam der Nationalspieler sogar ein paar Spiele als Rechtsverteidiger zum Einsatz und konnte durchaus überzeugen. Insgesamt kam er aber durch dieses Ergänzungsspieler-Dasein nie wirklich in den Rhythmus. Folglich blieben die Leistungen eher unspektakulär mit seltenen Ausschlägen nach ober oder nach unten.
Bouna Sarr: 5,0
Der Transfer von Bouna Sarr wirft nach wie vor große Fragen auf. Der damals 28-jährige und relativ unbekannte Spieler von Olympique Marseille passte so gar nicht in das Beuteschema des FC Bayern. Dazu kommt noch die relativ hohe Ablösesumme von 8 Mio. Euro. Zusammenfassend kann man sagen: Beide Seiten haben es probiert, jedoch kann man das Projekt als gescheitert ansehen.
Sarr konnte zu keinem Zeitpunkt der Saison Druck auf Pavard machen und in seinen wenigen Startelf-Einsätzen deutlich erkennen, dass die Bundesliga doch noch mal was anderes ist als die Ligue 1.
Tanguy Nianzou & Alexander Nübel: ohne Bewertung
Zu Tanguy Nianzou gibt es leider nicht viel zu sagen. 90% der Saison fiel der 18-jährige Franzose mit Verletzungen aus. Man kann nur hoffen, dass er sich in der kommenden Spielzeit als „neuer Neuzugang“ präsentieren wird. In den wenigen Minuten, die man ihn auf dem Feld sehen durfte, war jedenfalls großes Potenzial zu erkennen.
Als Ersatztorwart zum FC Bayern zu kommen, ist mutig. Alexander Nübel wusste von Anfang an, auf was er sich einzustellen hatte. Vier Spiele durfte der Ex-Schalker ran und machte seine Sache ordentlich. Den Rest der Saison nahm er schweigend die Leistungen von Manuel Neuer zur Kenntnis.