Sadio Mané ist und bleibt das größte Sorgenkind beim deutschen Rekordmeister. Der Senegalese erwischte zwar einen guten Start in seine Bayern-Zeit, wirkt aber vor allem nach seiner Verletzung meist eher wie ein Fremdkörper auf dem Feld. Findet der Superstar noch einmal zurück in die Spur oder haben sich die Klub-Bosse bei dem vermeintlichen Transfer-Coup verpokert? Eine FCBinside-Analyse.
Es ist eine der Fragen, die sich fast alle Fans des FC Bayern dieser Tage häufig stellen: Wann sehen wir den Sadio Mané, der beim FC Liverpool geglänzt hat? Genau diese Frage stellte „Sky“-Reporter Florian Plettenberg dem Senegalesen selbst, in der Mixed-Zone nach dem Pokal-Aus gegen den SC Freiburg. Die Antwort des 30-Jährigen: „Bald, ich verspreche es euch!“
Doch kann Mané dieses Versprechen auch wirklich halten? Nach aktuellem Stand dürften viele Bayern-Fans wohl äußerst skeptisch auf diese Aussage blicken. In seinen letzten Einsätzen im Dress des Rekordmeisters wirkte der Angreifer schließlich fast immer wie ein Fremdkörper. So kam er beispielsweise bei der 1:2-Niederlage in Leverkusen – seinem letzten Startelf-Einsatz – im ersten Durchgang auf gerade einmal acht Ballkontakte. Auch nach seine Einwechslungen gegen Dortmund und Freiburg blieben ohne Wirkung. Und dann ist Mané aus den fünf großen europäischen Ligen auch noch der Spieler, der am häufigsten im Abseits steht. Insgesamt 1,59 Mal pro Spiel, laut einer Analyse des Datenportals „FBref“.
All das deutet nicht darauf hin, dass Mané zurzeit auf dem richtigen Weg ist: „Er sucht sich immer noch ein bisschen selbst beim FC Bayern“, versuchte Vorstandschef Oliver Kahn am vergangenen Wochenende in der Sendung „Sky90“ die Situation zu erklären. Aus Sicht von Kahn ist für Mané die „Qualität“ des Konkurrenzkampfes beim deutschen Rekordmeister neu: „Das kennt er so nicht. Das war er auch bei Liverpool nicht gewöhnt“, betonte der 53-Jährige.
Vielversprechender Start beim FC Bayern
Dabei war sein Start beim FCB enorm vielversprechend. Nach dem Abgang von Tormaschine Robert Lewandowski gen FC Barcelona wurde die mehr als 30 Millionen schwere Verpflichtung von Sadio Mané als echter „Coup“ von Sportvorstand Hasan Salihamidzic gefeiert. Die hohen Ansprüche, die nach dem Abgang von Lewandowski nun auf den Schultern von Mané lasteten, hielt Afrikas Fußballer des Jahres zunächst auch stand. In den ersten sechs Pflichtspielen für die Münchener erzielte der 30-Jährige insgesamt fünf Tore in drei verschiedenen Wettbewerben.
Gleich nach dem ersten Bundesliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt machte sich Mané zudem bei den Bayern-Anhänger beliebt, als sich der Neuzugang ein Megafon schnappte und in der Fankurve den Vorsänger gab. Bei einem öffentlichen Training im September – nach einem enttäuschenden 1:1 gegen Union Berlin in der Liga – gab der Superstar knapp zwei Stunden lang Autogramme für die Fans. Und Ex-Trainer Julian Nagelsmann hob den Angreifer als absoluten Teamspieler heraus, „der seine eigenen Befindlichkeiten extrem hinten anstellt“.
Verletzung warf den Senegalesen zurück
Wenn man alleine auf die Statistiken schaut, dann könnten viele die aktuelle Kritik an dem Spieler wohl gar nicht nachvollziehen. 16 Torbeteiligungen in 30 Pflichtspielen liest sich auf den Papier nicht schlecht, gerade in einer Debüt-Saison bei einem neuen Verein. Dennoch hat man bislang noch nicht einmal das Gefühl gehabt, dass der Stürmer wirklich hundertprozentig in München angekommen ist. Besonders seine langwierige Verletzung am Wadenbeinköpfchen warf Mané zurück. Der 30-Jährige pausierte mehr als vier Monate, verpasste die WM und verlor seinen Stammplatz beim FCB.
Doch bereits vor seiner Verletzung fehlte es in Manés Spiel oftmals an den besonderen Wow-Momenten, die dem Superstar nachgesagt werden. Im Bayern-Trikot wirkt der Senegalese in vielen Aktionen weitaus weniger schnell und spritzig, wie zu seiner Liverpool-Zeit, wo er häufig fast mühelos an seinen Gegner vorbeizog. Gerade im Konterspiel, eigentlich eine Spezialität des Angreifers, nahm dieser in den letzten Auftritten häufig das Tempo raus und traute sich nicht wirklich ins Eins-gegen-Eins.
Didi Hamann: „Mané ist ausgelaugt“
Fußballexperte Didi Hamann setzt die Ursache für Manés Probleme in München mit dessen intensiver Zeit in Liverpool in Zusammenhang: „Er hat wie die meisten Spieler bei Liverpool jetzt einen Kolbenfresser. Er war fünf, sechs Jahre am Limit. Wenn du so lange spielst, ist es irgendwann auch gut. Liverpool hangelt sich durch die Saison, die Mannschaft ist platt. Bei Mané ist das ähnlich und dann kam noch die Verletzung dazu. Er ist ausgelaugt“, sagte Hamann bei „Sky90“.
Die Verantwortlichen des Rekordmeisters versicherten noch zu Saisonbeginn, dass Mané „alle Zeit der Welt“ bekäme, um sich in seiner neuen Heimat einzufinden. Doch wenn der Stürmer – der mit einem geschätzten Jahresgehalt von 22 Millionen Euro so viel verdient wie kein anderer FCB-Star – in der heißen Phase der Saison keine guten Leistungen zeigt, wird man sich auch an der Säbener Straße noch einmal zusammensetzten, um ausführlich über die Personalie Mané zu diskutieren. Oliver Kahn erhöhte nicht umsonst zuletzt ein wenig den Druck auf den 30-Jährigen, indem er sagte: „Wir würden es uns wünschen, dass er explodiert“.
Tuchel will den Angreifer an seine Bestform heranführen
Viel wird in den kommenden Wochen davon abhängen, wie Neu-Coach Thomas Tuchel mit dem Sengalesen plant. Tuchel kennt Mané aus vielen Duellen in der Premier League und machte schon vor dem Spiel im DFB-Pokal gegen Freiburg, dass er eine sehr hohe Meinung von ihm hat: „Sadio ist ein absoluter Topspieler. Er hat jedes Jahr 20, 30 Tore für Liverpool in der härtesten Liga der Welt gemacht. Seine Wichtigkeit steht auch für Bayern außer Frage“.
Tuchel möchte den Weltstar nun Schritt für Schritt an seine Topform heranführen: „Stürmer wie Sadio sind natürlich auch sensibel und können dadurch ein wenig Vertrauen und Form verlieren. Das ist jetzt der Schlüssel, denn das merke ich ihm an. Es gibt keinerlei Zweifel an seiner Qualität, an dem, was er uns bringen kann oder an seiner Einstellung. Es geht jetzt um Vertrauen, um ein wenig Geduld und zurück in den Flow zu kommen. Da hilft am allermeisten ein Tor, egal wie und dann kann man etwas Freude zurückgewinnen.“
Der neue Trainer findet den schleppenden Start von Mané bei den Bayern auch keineswegs ungewöhnlich: „Selbst bei einem Spieler mit dieser Erfahrung kann ein Vereinswechsel immer dazu führen, dass es Zeit braucht, bis man den neuen Verein versteht und bis man sich wohlfühlt. Dinge, die über Jahre eingeschliffen sind, müssen neu justiert werden. Das kann Zeit brauchen“, sagte er.
Gibt es noch ein Happy-End?
Wie viel Zeit Mané noch für diese Neujustierung braucht, kann an dieser Stelle wohl niemand vorhersehen. Möglicherweise wäre es aber eine Überlegung wert, den Senegalesen statt im Sturmzentrum, wieder häufiger als Linksaußen aufzustellen. Der Position, auf der er in Liverpool über Jahre hinweg unverzichtbar war. Bei den „Reds“ war Mané fast immer brandgefährlich, wenn er von halb links diagonal in Zentrum zog, um entweder Platz für einen hinterlaufenden Außenverteidiger zu schaffen oder als eine weitere Option im Strafraum aufzutauchen, ohne dass sich gleich alle Verteidiger auf ihn konzentrierten.
Als alleinige Spitze spielt der Senegalese häufig mit dem Rücken zum Tor und kann seine Stärken im Dribbling nicht so gut einsetzten, wie aus einer weiten Flügelposition. Gemeinsam mit einem Mittelstürmer wie Eric Maxim Choupo-Moting, könnte Mané wieder mehr aus der Tiefe komme und durch schnelle Kombination Tempo aufnehmen – wie damals bei Liverpool, wo sich Roberto Firmino als Stoßstürmer oft ins Mittelfeld fallen ließ, damit die Flügelstürmer Salah und Mané mehr Platz für ihre tiefen Läufe bekamen.
Nachdem der Neuzugang des FCB in den ersten beiden Partien unter Tuchel nur von der Bank kam, wird Mané in diesem Monat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wieder mehrere Spiele von Anfang bestreiten, sofern er sich nicht zwischenzeitlich verletzt. Der Rekordmeister hat schließlich im April noch insgesamt sechs Pflichtspiele vor der Brust, darunter die beiden wichtigen Duelle mit Manchester City im Champions League-Viertelfinale.
Damit der Senegalese wieder in die Spur findet und die Fans hinter sich zieht, braucht der Angreifer bei seinen nächsten Einsätzen ein paar herausragende Dribblings, möglichst viele Assists und das ein oder andere wichtigste Tor. Gerade in den kommenden Wochen wird sich nun also entscheiden, ob die Verpflichtung des 30-Jährigen richtig oder falsch war. Denn eins steht fest: Wenn Mané nun wieder aufblüht und als Matchwinner in der Champions League glänzt, werden zukünftig nur die wenigsten daran zurück denken, dass es die aktuelle Diskussion um seine Person überhaupt mal gab.