Die Rolle eines Cheftrainers bei einem Spitzenklub wie dem FC Bayern München geht weit über die taktische Arbeit hinaus. Chefcoach Thomas Tuchel vom FC Bayern steht besonders in Bezug auf seine Öffentlichkeitsarbeit im Fokus. Michael Cramer, Experte für Kommunikation und Geschäftsführer der Alt&Cramer GmbH, analysiert Tuchels Umgang mit den Medien und sein Auftreten in der Öffentlichkeit.
Cramer, bekannt für seine analytischen Beiträge in der Sky-Sendung „Gesagt. Gemeint!“, gab mit Blick auf Tuchels Medienarbeit in einem Interview mit SPOX ein gemischtes Urteil ab. Während der Trainer in einigen Bereichen gut abschneidet, gebe es Momente, in denen sein Verhalten Fragen aufwirft.
„Im Großen und Ganzen macht er es ordentlich“, gab Cramer ein durchaus positives Zwischenfazit zur Amtszeit des ehemaligen Chelsea-Trainers. Aber vor allem im Bezug auf Tuchels Reaktionen nach Niederlagen äußerte sich Cramer kritisch: „Nach Niederlagen wirkt er oft angefasst, teilweise persönlich beleidigt, wie ein trotziges Kind.“
Cramer bemängelte, dass Tuchel in solchen Momenten an Gelassenheit und Souveränität vermissen lässt. „Er wirkt dann getrieben von der medialen Berichterstattung und reagiert regelrecht zickig“, erklärte Cramer.
Umgang mit Hamann-Kritik war „Laientheater“
Ein konkretes Beispiel für Tuchels impulsiven Umgang mit Kritik bot seine Reaktion auf Kommentare von Lothar Matthäus und Dietmar Hamann. Tuchel reagierte scharf und scherzhaft auf deren Kritik, was Cramer als „albern“ und „Laientheater“ bezeichnete: „Dieser Auftritt hat ihm geschadet. Tuchel ist ein sehr intelligenter Mensch. Aber intelligente Menschen tun sich oft schwer mit dem Thema Emotionen.“
Cramer sieht eine klare Herausforderung für Tuchel in der Anerkennung und im Umgang mit den medialen Gegebenheiten seiner Position. „Jeder, der diesen Job antritt, weiß, was ihn erwartet“, so Cramer. Tuchel müsse lernen, diese Rolle anzunehmen.
Cramer zieht Parallelen zwischen dem jungen Jupp Heynckes und Tuchel. Er betont, dass Tuchel noch die Reife und Ausstrahlung eines erfahrenen Trainers wie dem späteren Heynckes fehlt. „Ein großer Trainer wurde er erst, nachdem er zur Vaterfigur gereift ist“, erläuterte Cramer.
Der Kommunkationsexperte schlussfolgerte, dass Tuchels Entwicklung zum großen Trainer nicht nur von seinen fachlichen Fähigkeiten abhängt, sondern auch davon, wie er mit den Herausforderungen außerhalb des Spielfeldes umgeht. „Ob er auch ein großer Trainer wird, entscheidet sich nicht zuletzt bei diesen Themen außerhalb des Platzes“, fasste Cramer zusammen.