Drei Gründe, warum Tuchel nicht mehr tragbar ist als Bayern-Trainer

Vjekoslav Keskic
Foto: IMAGO

Der FC Bayern befindet sich im Krisenmodus. Die 2:3-Niederlage gegen den VfL Bochum hat die Münchner mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Deutsche Meisterschaft gekostet. Thomas Tuchel genießt weiterhin die Rückendeckung von den Verantwortlichen an der Säbener Straße. Zu Recht? Ein Kommentar zur aktuellen Situation beim FC Bayern.

Erstmals seit knapp neun Jahren hat der FC Bayern drei Pflichtspiele in Folge verloren und dennoch steht der Cheftrainer nicht zur Disposition beim deutschen Rekordmeister. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, wollen die Bayern-Bosse die Saison mit Tuchel zu Ende bringen.

Auch Jan-Christian Dreesen hat unmittelbar nach der 2:3-Pleite in Bochum öffentlich betont, dass Tuchel beim Heimspiel gegen RB Leipzig am kommenden Wochenende „selbstverständlich“ auf der FCB-Bank sitzen wird.

Tuchel erreicht die Mannschaft nicht mehr

Auch wenn es wie eine abgedroschene Fußball-Weisheit aus dem SPORT1-Doppelpass klingt, für den man fünf Euro in das Phrasenschwein werfen muss, beschreibt dieser Satz die aktuelle Lage beim FC Bayern sehr treffend: Thomas Tuchel erreicht die Mannschaft nicht mehr.

Wer die Körpersprache, Mimik und Gestik des 50-Jährigen in den vergangenen Tagen beobachtet hat, wird festgestellt haben, dass Tuchel ratlos wirkt. Ratloser als jemals zuvor. Egal, was der Cheftrainer der Münchner seinen Spielern in der jüngeren Vergangenheit mit auf den Weg gegeben hat, blieb wirkungslos. Egal, ob personelle oder taktische Veränderungen, Tuchel hat bisher keine Lösung für das Bayern-Dilemma gefunden. Vielleicht, weil er selbst ein großer Teil davon ist?

Auch wenn viele Spieler (u.a. Sane, Kane, Kimmich, Goretzka, Upamecano) derzeit weit entfernt sind von ihrer Topform, ist es dennoch erstaunlich, wie oft der deutsche Rekordmeister in dieser Saison als kollektiv versagt hat. Wenn eine Vielzahl an hochbegabten Profis regelmäßig „versagt“, sollte man sich die Fragen stellen, woran es liegt. Können es Kimmich & Co. nicht besser oder wollen sie es unter dem aktuell Trainer nicht besser machen?

Es ist offensichtlich, dass es atmosphärische Störungen zwischen Tuchel und der Mannschaft gibt. Beispielhaft hierfür ist das Verhältnis zu Spielern wie Thomas Müller oder Matthijs de Ligt. Auch bei Kimmich und Tuchel soll es neuerdings nicht mehr wirklich harmonieren. Hinzukommen unzufriedene Spieler, die auf mehr Spielzeit hoffen, wie z.B. Mathys Tel. Die Anzahl an Baustellen, die unter Tuchel entstanden sind, ist schlichtweg zu groß.

Zahlen lügen nicht

Während die Bayern in der ersten Saisonhälfte nicht besonders attraktiv gespielt haben, war der Tuchel-Fußball dennoch erfolgreich. Diese „Ausrede“ ist spätestens seit der Bochum-Pleite hinfällig. Die Zahlen lügen nicht. Tuchel hat elf von 44 Spielen als Bayern-Coach verloren. 25 Prozent aller Spiele. Der FC Bayern verliert mittlerweile jedes vierte Spiel unter Tuchel.

Zum Vergleich: Niko Kovac wurde 2019 mit einer Quote von 12,3 Prozent verlorenen Spielen (8 Pleite in 65 Spielen) entlassen. Auch Tuchel-Vorgänger Julian Nagelsmann man „nur“ auf 11,9 Prozent (10 Niederlagen bei 84 Spielen) und musste vorzeitig gehen.

Besonders brisant: Tuchel verliert zu viele wichtige Spiele. Sechs der elf Niederlagen waren K.o.-Spiele. Im Pokal ist Bayern unter Tuchel gegen Freiburg und Saarbrücken ausgeschieden. In der Champions League zog man in der Vorsaison gegen Manchester City den Kürzeren.

Spielerisch hat der FC Bayern unter Tuchel in den vergangenen knapp 12 Monaten keine erkennbare Entwicklung hingelegt. Nun bleiben auch noch die Ergebnisse aus.

Tuchel ist kein Krisenmanager

Auch wenn Tuchel als Cheftrainer zwangsläufig verantwortlich für das sportliche Geschehen auf dem Platz ist, muss man fairerweise festhalten, dass der 50-Jährige nicht das Hauptproblem der Münchner ist. Die Bayern haben in den vergangenen Jahren schlichtweg zu viele Trainer verschlissen, aus unterschiedlichsten Gründen.

Ja, Tuchel kann weder etwas für die vielen Ausfälle noch für die unzähligen individuellen Fehler einzelner Spieler. Auch die aktuelle Kaderzusammenstellung ist sicherlich nicht auf Tuchel zurückzuführen. Dennoch: Die Liste an Problemen ist zu lang und Tuchel schafft es nicht diese zu lösen bzw. die Liste zu verringern.

Harry Kane wirkt in der Rückrunde wie ein Fremdkörper im Spiel der Bayern. Matthijs de Ligt galt in der Vorsaison noch als Abwehrchef in München und pendelt nun zwischen Ersatzbank und Startelf. Im Mittelfeld hat Tuchel bereits unzählige Kombinationen ausprobiert, ohne durchschlagenden Erfolg.

Auch abseits vom Platz schafft es Tuchel nicht, die Krisenherde einzudämmen. Der Schlagabtausch mit TV-Experten wie Lothar Matthäus und Didi Hamann nimmt kein Ende. Tuchel philosophiert öffentlich über die mangelnde Wertschätzung in Deutschland und liebäugelt zeitgleich mit einem Wechsel nach Spanien. Seine beißende Ironie in Interviews und sein oftmals dünnhäutiges Auftreten sind alles andere als souverän.

Derzeit wirkt es so, als würden die Bayern-Bosse mangels Alternativen an Tuchel (bis zum Sommer) festhalten. Zudem würde der zweite Trainerrauswurf in weniger als 12 Monaten einem Eingeständnis gleichkommen. Dies möchte man an der Säbener Straße allen Anschein nach so lange vermeiden wie nur irgendwie möglich.

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