Der FC Bayern kann nach der 0:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund die zwölfte Meisterschaft in Folge endgültig abhaken. Die Münchner haben aber noch ganz andere Probleme. FCBinside liefert drei Erkenntnisse zur Partie.
Nach zuletzt drei Siegen in Folge schien es so, als hätten die Bayern die Trendwende erfolgreich vollzogen. Mit Blick auf die gestrige Topspiel-Pleite gegen den BVB ist diese Hoffnung wieder rasant verflogen. Die Niederlage ist ein herber Rückschlag für alle Beteiligten in München. Das Spiel lieferte folgende Erkenntnisse.
1. Thomas Tuchel ist immer noch ratlos
Seit einem Jahr sitzt Thomas Tuchel mittlerweile auf der Trainerbank beim FC Bayern. Rein objektiv betrachtet scheint der deutsche Rekordmeister unter dem 50-Jährigen auf der Stelle zu treten.
Der FCB leistet sich immer wieder unerklärliche Auftritte, wie gestern Abend gegen Dortmund. Laut Joshua Kimmich fühlte sich das Prestige-Duell gegen den BVB phasenweise wie ein Freundschaftsspiel an. Die Bayern ließen alle Attribute vermissen, die man benötigt, um solch ein Topspiel erfolgreich zu bestreiten.
Ausrutscher passieren, aber nicht in dieser Häufigkeit. Tuchel wirkte nach dem Spiel zum wiederholten Mal ratlos: „Es ist unerklärlich“, resümierte er. Während der Bayern-Coach in der Vergangenheit den xG-Wert als „Ausrede“ bemühte, pickte sich Tuchel diesmal die Länderspielpause heraus: „Es ist manchmal schwer nach der Länderspielpause. Wir haben in den letzten Wochen ordentlich gespielt, mit der richtigen Einstellung und dann geht die Mannschaft in die Länderspielpause.“
Was Tuchel vergessen, zu erwähnen hat: Die Länderspielpause ist kein exklusives Problem des FC Bayern. Während Bayer Leverkusen einen 0:1-Rückstand gegen Hoffenheim in der Nachspielzeit gedreht hat und dabei 25 (!) Torschüsse in der zweiten Hälfte auf den Kasten der TSG abgefeuert wurden, waren es bei den Bayern sieben – der BVB kam auf sechs.
Besonders skurril: Tuchel hatte vor dem Spiel noch erklärt, dass der Last-Minute-Sieg der Leverkusener ein „Stimmungsdämpfer“ für die Bayern ist. Seit wann lässt sich der FCB von den Ergebnissen und Leistungen anderer Teams beeinflussen? Vor allem in einem Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund in der heimischen Allianz Arena.
In den vergangenen Wochen wurde viel über den zwingend notwendigen Kaderumbruch beim FCB gesprochen. Mittlerweile dürfte es offensichtlich sein, dass auch ein Umbruch an der Seitenlinie unausweichlich ist.
2. Ein (müder) Musiala reicht in der Offensive nicht aus
Den Bayern fehlte es gegen Dortmund nicht nur an den Basis-Attributen wie Kampf, Einsatz, Wille und Leidenschaft. Auch in Hinblick auf die Spielidee war der Auftritt ein echter Offenbarungseid.
Während sich der FCB in den letzten Wochen auf einen formstarken Jamal Musiala verlassen konnte, blieb der Offensiv-Allrounder gegen den BVB vollkommen blass. Folgerichtig wurde dieser in der 63. Minute ausgewechselt. Laut Tuchel kam Musiala müde von der Nationalmannschaft zurück. Die Münchner hatten sogar mit dem Gedanken gespielt, den Youngster aus der Startelf zu nehmen.
Ein schlechter Abend eines 21-Jährigen sollte allerdings nicht zu einem Totalausfall in der Offensive führen. Leroy Sane erwischte, trotz ausgiebiger Reha- und Trainingsphase, zum x-mal einen gebrauchten Tag.
Auch Routinier Thomas Müller hatte keinerlei positiven Einfluss. Im Gegenteil: Der 34-Jährige leitete mit einem schlampigen Ballverlust in der zehnten Minute den Gegentreffer von Karim Adeyemi ein.
Selbst Harry Kane wirkte gestern ein wenig neben der Spur. Der 30-Jährige plagte sich zuletzt mit einer Sprunggelenksverletzung herum, meldete sich jedoch rechtzeitig für das Spitzenspiel fit. Der Engländer tauchte in der 23. Minute, nach schöner Hereingabe von Joshua Kimmich, vollkommen frei vor dem Dortmunder Tor auf, setzte seinen Kopfball aus kurzer Distanz allerdings am Kasten vorbei. Solche 100-prozentigen Chancen lässt der Stürmer fast nie liegen.
Diese Saison zeigt sehr deutlich, dass es nicht ausreicht, sich auf die individuelle Klasse von Ausnahmekönnern wie Kane oder Musiala zu verlassen. Der FCB braucht zwingend eine Spielidee in der Offensive, die nicht auf 1-2 Schultern verteilt ist.
3. Der Bayern-Kader hat zu viele Baustellen
Nicht nur in der Offensive haben die Bayern einen blutleeren Auftritt abgeliefert, auch im zentralen Mittelfeld hatten Leon Goretzka und Konrad Laimer zu keinem Zeitpunkt im Spiel die Kontrolle. Bezeichnend dafür: Beide erhielten von den FCBinside-Lesern die Note 5.
Es ist schon erstaunlich, wenn das Fehlen eines 19-jährigen Nachwuchsspielers wie Aleksander Pavlovic dermaßen ins Gewicht fällt, wie gestern Abend. Der Youngster gehörte vor der Länderspielpause zu den stärksten FCB-Akteuren und erkämpfte sich einen Stammplatz im Bayern-Mittelfeld. Pavlovic ist die Zukunft der Münchner im Zentrum. Bei Goretzka und Laimer ist dies, Stand heute, fraglich.
Auch Alphonso Davies erwischte gegen den BVB einen Abend zum Vergessen. Der Kanadier, der sich aktuell einen öffentlichen Vertragszoff mit den Münchnern liefert, wurde mehrfach von Jadon Sancho „schwindlig gespielt“. Der 23-Jährige ist nach wie vor meilenweit von seiner einstigen Bestform entfernt. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass der Linksverteidiger bzw. dessen Management weiterhin davon überzeugt sind, dass Davies zu den Top-Verdienern an der Säbener Straße aufsteigen sollte.
Der Auftritt gegen Dortmund dürfte dem letzten Optimisten in München vor Augen geführt haben, dass dieser Kader im Sommer vor einer Generalüberholung steht.